ICH BIN EIN WALNUSSBAUM
Sie kam vom Gartentor auf mich zugerannt und
hat mich umarmt…
-Du gehörst mir!
Vor 20 Jahren…
Ich war noch sehr klein, schwach und
zerbrechlich, dass ich bei der kleinsten Berührung zerbrechen könnte.
Um mich herum gab es Aprikosen, Birnen,
Maulbeere und Kirschbäume. Zwischen denen war ich ganz klein.
Der Garten war sehr schön, still und friedlich.
Ich könnte das ganze Dorf von oben betrachten.
Ich war zufrieden und hatte es ins Herz geschlossen.
Mit der Zeit wuchsen meine Wurzeln
tief in die Erde, und meine Äste streckten sich zum Himmel.
Ich bin gewachsen und wurde mit der
Zeit der größte Baum in diesem Garten.
Auf meinen Ästen tanzen die Eichhörnchen und die Vögeln singen ihre Lieder.
Das Leben ist sehr schön.
Im Winter schlafe ich, im Frühling erwache
ich, aber wenn der Herbst kommt, mache ich mir sorgen, weil es Erntezeit ist…
Wenn die Menschen kommen, spüre ich, dass ich
verletzt werde.
Es ist ein schwerer Tag für mich. Sie steigen auf mich, schlagen mit Stöcken mal auf diesen, mal auf jenen meiner Äste, sie brechen mir die Arme…
-Schau mal, auch an diesem Ast ist etwas…
-An diesem da auch… Schau Schau!
-Schlagt zu, schlagt zu!
Wenn die Menschen schließlich wieder
verschwunden sind, bleibe ich zurück und blicke still auf meine zerbrochenen,
am Boden liegenden Äste.
Ich verstehe nicht, warum sie so sind? Sie verhalten
sich sehr rücksichtslos.
Sie verletzen nicht nur meine Blätter, sondern
sie brechen auch meine Äste!
Warum? Wegen, den Walnüssen die ich trage.
Dabei lasse ich sie doch eh auf Boden fallen.
Sie könnten es doch einfach vorsichtig nehmen. Warum müssen sie denn alles kaputt machen?
Dann kam diese Frau.
Auch Sie war ein Mensch, aber beim ersten
Treffen, umarmte Sie mich.
„Du gehörst mir!“, sagte Sie. Ich verstand nicht, was Sie damit meinte!
Mit der Zeit ließ Sie eine kleine Hütte neben
mir bauen, dann stellte sie einen Stuhl und einen Tisch in meinen Schatten.
An meinen Zweigen hängte sie bunte Dinge auf.
Ich wusste nicht, was Sie waren, und pflanzte wilde Veilchen zu meinen Wurzeln.
Sie war ständig in meiner Nähe, werkelte im
Garten herum.
Hin und wieder holte Sie sich eine Tasse Tee,
setzte sich in meinen Schatten und beobachtete mich.
Mein früheres stilles Leben war vorbei.
Jetzt waren Menschen und Kinder, die um mich herumrannten,
da.
Unter meinem Schatten frühstückten sie, aßen
gemeinsam und ich, ich hörte heimlich und still denen zu, und beobachtete sie.
Manchmal waren es angenehme Gespräche,
manchmal geriet ich mitten in hitzige Diskussionen.
Was war es, dass sie in all dieser Schönheit
so nervös machte?
Eigentlich war die Antwort ganz klar.
Der Mensch will alles kontrollieren. Wenn es
nicht nach seinem Willen läuft, wird er unruhig.
Ich kann es ihnen nicht sagen, denn schließlich bin ich nur ein Baum.
Dann kam nochmals der Herbst, von den ich
immer so sehr fürchtete und sie kam auch, mit einem Stock in der Hand.
Zum Glück trafen meine Äste diesmal nicht die
erwarteten Schläge.
Sie ging sanft mit mir um. Es dauerte nicht
lange.
Am Ende des Tages fühlte ich mich erleichtert
und befreit.
Auch von den abgestorbenen Zweigen, die zur
Last geworden waren.
„Das Entfernen trockener Pflanzenteile ist
wie das Kratzen am Rücken eines Menschen, es verschafft Erleichterung“, hatte
Mutternatur einmal gesagt.
Vielleicht war das der Grund für mein
Wohlbefinden.
Das Erstaunliche war!
Das einige meiner Walnüsse noch an mir waren.
Sie hatte sie extra für die Vögel und
Eichhörnchen hängen lassen.
Ein Jahr trug ich Walnüsse, im nächsten Jahr
aber nicht. Doch inzwischen waren meine Äste jedes Jahr voll mit Nüssen.
Woran das lag?
An Segen, an „Baraka“!
Baraka; also Segen bedeutet nicht gierig zu sein.
Sondern mit dem zufrieden zu sein, was einem
zusteht…
Dass man nicht für einen kurzen Moment des
Mehrs seine zukünftigen Möglichkeiten rücksichtslos verbraucht…
Also um das machen zu können, wäre es besser auf
seiner Selbstsucht zu verzichten…
Ach, wenn das nur auch die anderen verstehen
könnten…
Yorumlar
Yorum Gönder